Kinder zweiter Klasse?
SVZ 15.02.2019 DRK Güstrow und Arbeiterwohlfahrt kritisieren geplante Novellierung des Kinderförderungsgesetzes in MV / Fachtagung in Linstow
Anja Wulff schildert die Situation in vielen Kitas und Horten drastisch: „Wir reden oftmals nur noch über Aufbewahrung und nicht über eine qualitative Betreuung.“ Zu wenige Erzieher müssten sich um zu viele Kinder kümmern. Gleichzeitig würden die Anforderungen an das Fachpersonal in Kitas und Horten immer weiter steigen. „Hier ist die Politik gefordert“, sagt die Leiterin des Güstrower DRK-Hortes „Stelzenvilla“ und engagiert sich für eine bessere Kinderbetreuung nicht nur in der Region, sondern in ganz Mecklenburg-Vorpommern. Trotz leichter Verbesserungen in den vergangenen Jahren liege MV bei der so genannten Fachkraft-Kind-Relation im bundesweiten Durchschnitt weiterhin auf dem letzten Platz.
„Wieso ist die Fachkraft-Kind-Relationen vielerorts in Mecklenburg-Vorpommern so hoch? Sind Kinder hier Kinder zweiter Klasse? Und wie sieht es bei diesen Rahmenbedingungen mit der Chancengerechtigkeit aus?“ Mit diesen Fragen setzt sich eine Fachtagung am 28. Februar von 9 bis 16 Uhr im Resort Linstow auseinander, an deren Organisation die Güstrowerin Anja Wulff mitgewirkt hat. „Wir kämpfen hier für alle Kitas in MV“, unterstreicht sie. Zu der Veranstaltung laden der DRK-Kreisverband Güstrow sowie die Landesverbände MV des DRK und der Arbeiterwohlfahrt ein. Im Mittelpunkt stehe die Kritik an der geplante 7. Novellierung des Kinderförderungsgesetzes. „DRK und Awo bedauern, dass diese Novellierung nicht die Interessen der Kinder in den Fokus stellt“, sagt Manuela Hamann vom DRK Güstrow. Auf dem Fachtag in Linstow möchten beide Träger einen Dialog mit Entscheidungsträgern, Eltern, Trägervertretern und Fachkräften führen. In verschiedenen Referaten wird das Thema „Kinderbetreuung in MV“ aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Anschließend werden in einem „Worldcafe“ gemeinsam Forderungen erarbeitet, die anschließend an politische Entscheider, Träger und Einrichtungen weitergeleitet werden. „Auch unsere Kinderreporter, Grundschüler einer 4. Klasse aus Güstrow werden vor Ort sein. Mit Mikro und Notizblock stellen sie den Besuchern vor Ort, Politikern, Eltern und Erzieherinnen, ihre Fragen“, sagt Manuela Hamann.
„Das Wohlbefinden der Kinder leidet, wenn zu viele Kinder von zu wenigen Erzieherinnen betreut werden“, bringt Manuela Hamann die Kritik auf den Punkt. DRK und Awo fordern eine höhere Qualität in den Kindereinrichtungen in MV. Die Beitragsfreiheit sei ein guter und wichtiger Schritt. Nun gelte es, auch an den Qualitätsstandards zu arbeiten, so Hamann weiter. „Die Qualität der Betreuung hängt ganz maßgeblich von der Erzieher-Kind-Relation ab. Eine qualitativ hochwertige Betreuung umfasst individuelles Eingehen auf die Probleme und Sorgen der Kinder, eine individuelle Förderung und Betreuung in Kleingruppen“, sagt sie. Und Hort-Leiterin Anja Wulff ergänzt: „Wir brauchen auch in unserem Hort mehr Personal.“
Jens Griesbach